Interview im St.Galler Tagblatt vom 23. November 2023

Die Uni St.Gallen spielt eine wichtige Rolle in der Start-up-Szene Ostschweiz. Einer, der sich leidenschaftlich mit Start-ups beschäftigt ist der 46-jährige Max Meister. Er ist Unternehmer, Business Angel und Investor. Meister hat in Zürich einen Inkubator, eine Firma, die Start-ups bei der Geburt ihrer Ideen unterstützt sowie anschliessend einen Venture Asset Manager, ein Unternehmen, das in Start-ups investiert, aufgebaut. Er war an der Gründung und Entwicklung von verschiedenen Unternehmen, wie das Ostschweizer Smino, beteiligt und gehört diversen Verwaltungsräten an. Daneben hat ist der Vater zweier Kinder auch Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).

Was zeichnet einen guten Business-Angel aus?

Max Meister: Ein guter Business-Angel hat primär einmal ein sehr gutes Gespür für Menschen. Man investiert sehr früh in eine Firma, vieles ist noch unklar beziehungsweise existiert noch nicht. Was man hingegeben beurteilen kann, ist das Potenzial der Gründenden.

Was noch?

Zweitens sollte man ein Gespür für Markentwicklungen haben, also eine fundierte Annahme treffen können, wo die Reise hingehen kann. Drittens sollte man über ein gutes Netzwerk sowie über Erfahrung und Expertise verfügen, um das Start-up möglichst gut unterstützen zu können. 

Wo sehen Sie bei sich selbst noch Verbesserungspotenzial?

Ich lerne auch nach fünfzehn Jahren in der Szene jeden Tag dazu. Eine Schwäche von mir ist, dass ich mich zu einfach von etwas begeistern lasse, und ich muss mich zwingen, die Hausaufgaben, bei uns ist dies die sogenannte Due Diligence oder zu Deutsch sorgfältige Prüfung, zu machen. Das erfordert viel Arbeit ist aber notwendig, um eine fundierte Einschätzung vornehmen zu können.

Ihr grösster Flop war?

Ich habe vor fünf Jahren in ein Augmented Reality Start-up investiert, im Glauben, dass sich der Markt entwickeln wird. Das war eine fundamentale Fehleinschätzung. Auch fünf Jahre später, also heute, hätte die Firma auf Grund des Marktpotenzials keine Chance zum Überleben. Dies hat mich gelehrt, dass man nicht auf Märkte wetten sollte. Als Investor dürfen sie nicht zu früh sein aber auch nicht zu spät, weil dann der Zug schon abgefahren ist und es viele Konkurrenten am Markt gibt. Diesen perfekten Zeitpunkt zu erwischen ist anspruchsvoll.

Und die beste Investition?

Eine Investition ist dann gut, wenn die Firma verkauft oder an die Börse gebracht werden kann und wir ein Mehrfaches von unserem Einsatz zurückerhalten. In meinem Fall war dies unter anderem die Firma Struckd, in die wir investiert hatten und ich als Verwaltungspräsident aktiv war. Die Firma war im Gaming Sektor zu Hause und wir konnten sie vor zwei Jahren an die in den USA börsenkotierte Firma Unity verkaufen.

Wie geht es Smino? Haben Sie ihr Engagement dort je bereut?

Smino hat sich enorm gut entwickelt. Natürlich gibt es immer wieder Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Ich bin aber beeindruckt, wie das Team vorankommt und national sowie international wächst. Ich sehe viel Potenzial bei Smino und habe unser Engagement bisher zu keiner Sekunde bereut.

Welche anderen Ostschweizer Start-ups haben, schon von Ihrer Investition und Ihrem Wissen profitiert?

Bisher waren das nur wenige Start-ups. Dies hat damit zu tun, dass Start-up Investments ein lokales Geschäft sind und ich bin in Zürich zu Hause. Es ist von Vorteil, wenn sie vor Ort sind und sehr nahe dran sind. Was ich sagen kann, ist, dass sich die Ostschweiz enorm gut entwickelt hat. Die HSG spielt hier sicherlich eine wichtige Rolle, da einige der erfolgreichsten europäischen Jungunternehmen den Ursprung an der Uni St.Gallen hatten.

Weitere Firmen, die den Ursprung in der Ostschweiz haben?

Andere Firmen, die aus der Ostschweiz stammen und von denen wir noch viel hören werden sind etwa Deskbird, viso.ai oder Matriq. Aber auch Online Doctor und Frontify entwickeln sich sehr positiv, soweit ich das beurteilen kann.

Und wo werden Sie demnächst aktiv werden?

Ich werde als Nächstes wiederum einen eigenen Fund lancieren und zusammen mit unseren Investoren in spannende Schweizer Firmen investieren. Privat prüfe ich aktuell drei Investments, eines davon im technologischen Umfeld aus Lausanne. Ein anderes ist ein Ghost Kitchen Anbieter aus Zürich, der sich gut entwickelt.

Wäre etwa Noriware, die Verpackungen aus Algen fertigen, für Sie einen Einstieg wert? Oder lieber das Empa-Spin-off «BTRY» mit seinen Dünnschichtbatterien?

Ja, absolut. Ich bin von beiden Gründungsteams beeindruckt und das Marktpotenzial ist in beiden Fällen enorm. Allerdings sehe ich auch einige Herausforderungen, die kommen werden. Beide Vorhaben sind kapitalintensiv und als Frühphasen Investor müssen sie aufpassen, auf Grund des enormen Kapitalbedarfs nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Damit meine ich, dass sie in der Lage sein sollten, auch später weiter zu investieren. Aber wie gesagt, beide Start-ups haben ein grosses Potenzial.

Sie kennen die Ostschweizer Start-up-Szene. Steht sie zu sehr im Schatten von Zürich?

Ich finde, die Ostschweizer Start-up-Szene sollte sich nicht hinter Zürich verstecken. Wie vorhin erwähnt, gibt es gibt einige Start-ups, die sich jüngst enorm gut entwickelt haben. Natürlich ist Zürich mit den internationalen Firmen, der ETH und dem finanziellen Potenzial zu einem Start-up Hotspot herangereift. Ich würde aber nicht von einer Konkurrenzsituation sprechen, sondern von einem komplementären Ökosystem mit eigenen Stärken, das in der Ostschweiz heranreift. 

Wo liegen die Schwächen in der Region Ostschweiz?

Ich sehe nur wenige Schwächen. Wahrscheinlich ist der Zugang zu talentierten Mitarbeitenden eher schwieriger, da diese eher in den technologischen Metropolen Zürich und Lausanne zu Hause sind. 

Und die Stärken?

In der Ostschweiz sind de facto alle Ingredienzen vorhanden, die es für ein gut geöltes und funktionierendes Ökosystem braucht. Es gibt erstklassige Hochschulen. Neben der HSG kommt mir hier auch die Ostschweizer FH in den Sinn, die über sehr viel technologisches Potenzial verfügt. Zweitens existieren vor Ort Forschungsinstitute wie die Empa. Mit Startfeld hat man eine enorm wichtige und effektive Einrichtung, wenn es um die Förderung von Start-ups geht. Und mit b2venture ist sogar ein erstklassiger Investor vor Ort. 

Gibt es seitens der Wirtschaft und Politik genügend Support?

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man immer mehr machen kann, wobei ich sagen muss, dass die Förderung von Jungunternehmen in der Ostschweiz sehr gut organisiert ist und die Entwicklung stimmt.

Trotzdem könnte, was die Rahmenbedingungen angeht, einiges noch besser gemacht werden.

Dies ist nicht primär ein Ostschweizer Thema, sondern sind generelle Herausforderungen für die ganze Schweiz.

Das da wären?

Erstens der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, vor allem bei Wachstumsunternehmen, also Scale-ups, die schon etwas weiter sind. Staatliche Unterstützung in Form von Fördermitteln, Steuervergünstigungen und staatlichen Darlehen kann Start-ups helfen, die anfängliche Finanzierungshürde zu überwinden. Zweitens gibt es noch immer gewisse bürokratische und gesetzliche Hürden, zum Beispiel bei der Besteuerung von Vermögen bzw. Firmenanteilen. 

In einem Interview haben Sie gesagt: «Schweizer Start-ups sind sehr stark auf den ersten fünf Kilometern, also in der Grundlagenforschung sowie der Erarbeitung von erstklassigen Konzepten. Dummerweise ist das Rennen aber nicht bereits dann zu Ende.» Haben Ostschweizer Start-ups eher Langstreckenqualitäten oder geht ihnen bei Kilometer sechs auch der Schnauf aus?

Das ist eine gute Frage. Was mir auffällt, ist, dass Ostschweizer Start-ups überdurchschnittlich häufig sehr pragmatisch unterwegs sind und eine Vorwärtsstrategie verfolgen. Das im stillen Kämmerlein etwas entwickeln zu wollen sehe ich hier sehr selten. Man sucht früh den Kontakt zu den Kunden und ist sehr umsetzungsorientiert. Das gefällt mir sehr gut.

Jungunternehmen freuen sich, wenn sie in die «Höhle der Löwen» eingeladen werden. Zuletzt gab es Kritik, weil viele Deals dann doch platzen. Ist das Format hilfreich?

Ja, grundsätzlich schon. Das Format gibt den Start-ups die Möglichkeit, sich vor erfahrenden Investoren zu präsentieren und so ein Feedback auf das Vorhaben zu erhalten. Zudem erhöht man die Bekanntheit der Produkte, da man sich einem breiten Publikum präsentieren kann.

Aber es scheitern auch viele Ideen.

Dass viele Deals scheitern, ist natürlich suboptimal, liegt aber am Prozess. Die Löwen und Löwinnen lernen die Start-ups in der Show kennen und verhandeln die Deals erst danach. Eine Möglichkeit wäre, dass der Sender den Deal vorverhandelt und nur wenn die Start-ups einverstanden sind, findet die Aufzeichnung tatsächlich statt. Ich denke jedoch, dass dies rechtlich – aus der Perspektive des Senders – nicht einfach zu bewerkstelligen ist. 

Was sind die ärgsten Stolpersteine für Start-ups?

Erstens, man findet keine Finanzierung, um die erste anspruchsvolle Phase zu finanzieren. Zweitens, das Timing ist schlecht, man ist ergo zu früh oder viel zu spät am Markt. Drittens, man fokussiert sich zu wenig stark und verzettelt sich oder will viel zu viel auf einmal machen.

Gute Ideen scheitern also, weil… 

…das Geld ausgeht, das Timing schlecht ist, die Kundschaft sich für die Produkte nicht interessiert oder man zu wenig fokussiert ist.

Worauf müssen Investoren achten?

Am wichtigsten ist die Einschätzung in Bezug auf die Gründenden. Passt die Einstellung? Bringt man die Fähigkeiten mit? Ist die persönliche Resilienz vorhanden? Dann der Markt. Wie grosse ist das Marktpotenzial? Ist es realistisch, das Potenzial mit möglichst wenig Kapital auszuschöpfen? Dann das Produkt und das geistige Eigentum. Was sagen die Kunden und Kundinnen und kann man sich irgendwie vor Konkurrenz schützen bzw. abgrenzen?

Deren häufigster Fehler ist…

…, dass man sich zu stark von emotionalen Aspekten beeinflussen lässt. Natürlich ist das Bauchgefühl wichtig. Mindestens so wichtig ist jedoch eine saubere Prüfung der Firma. Dies wird in meinen Augen zu selten gemacht. Viele Fehlinvestments könnten mit einer besseren Prüfung vermieden werden.

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