Die Migros hat kürzlich bekannt gegeben, ihren Company Builder Sparrow Ventures zu beerdigen. Ein Fehler, wie ich finde.
Natürlich muss man sich regelmässig intern kritisch die Fragen stellen, ob ein solch kapitalintensives Unterfangen wie Sparrow Ventures die Ziele erreicht oder nicht. Viel zu oft werden von Unternehmensseite jedoch finanzielle Ziele priorisiert um den Erfolg von Corporate Venturing Projekten zu beurteilen.
Dabei sollten viel mehr strategische und kulturelle Faktoren eine Rolle spielen. Die Migros bewegt sich in einem Umfeld, das stark von neuen Geschäftsmodellen geprägt ist. Ich kann die ewiggestrigen Kommentatoren:innen nicht mehr hören, die behaupten, das Geschäftsmodell der Migros und ihrer Tochtergesellschaften werde noch in zehn Jahren so aussehen wie heute. Viele technologische Entwicklungen werden einen starken Einfluss auf den Handel haben und der MGB wird von diesen Marktanpassungen auch betroffen sein. Zudem verändern sich die Kund:innenbedürfnisse mit hoher Kadenz. Fakt ist, der MGB muss sich mit Innovation und möglichen disruptiven Entwicklungen auseinandersetzen. Die Frage ist ergo, wie er das nun machen wird.
Ich halte es für essenziell, dass Innovationslabore von Firmen externalisiert werden und sich nicht in den Räumlichkeiten der Muttergesellschaft befinden. Natürlich birgt dies die Gefahr, dass man Geschäftsmodelle fördert, die allenfalls zu weit weg vom angestammten Geschäft des Mutterkonzerns sind. Eine unabhängige Perspektive auf das Thema Innovation halte ich jedoch für enorm wichtig und dies ist in den eigenen vier Wänden nur schwer zu realisieren.
Eine andere Firma, die das meiner Meinung sehr gut macht, ist die AMAG mit ihrem Venture Lab (Disclaimer: Ich sitze im Challenger Board der AMAG, welches neue Projekte kommentiert), die im Westhive – weit weg von der Zentrale in Cham – ihre Zelte aufgeschlagen hat und durchaus erfolgreich innoviert.
Als Dozent für Entrepreneurship an der HWZ ist einer meiner Schwerpunkt das Thema Corporate Venturing. Hierbei diskutieren wir auch über die Erfolgsfaktoren, die ich hier gerne kurz aufzählen möchte:
- Genügend Zeit einräumen: Innovationslabore benötigen mindestens zehn Jahre, bis sie ihre volle Wirkung erzielen. Dies liegt u.a. daran, dass die Kunden:innnen der Geschäftsideen meistens Zeit benötigen, sich umzugewöhnen (v. a. im D2C Bereich, in dem Sparrow primär unterwegs war). Die Lebenszeit von Sparrow Ventures war viel zu kurz um eine abschliessende Erfolgsbeurteilung vorzunehmen.
- Substanzielles Kapital: Basierend auf dem Punkt 1 resultiert, dass man genügend finanzielle Mittel einplanen muss. Es handelt sich um ein Long Game, wobei jährlich ein Budget zur Verfügung gestellt werden muss. Um sich spätere Diskussionen zu ersparen, kann man das Kapital in einen Venture Fund einbringen, damit das Kapital gesichert ist. Die Helvetia Versicherung ist meines Wissens diesen Weg gegangen.
- Es braucht eine klare Verbindung zur Strategie des Unternehmens und den Business Units: Es hat sich immer wieder gezeigt, dass disruptive Geschäftsmodelle, die wenig mit dem Kerngeschäft der Muttergesellschaft zu tun haben, sehr schwierig umzusetzen sind, da nicht zuletzt die interne Akzeptanz fehlt. Es sollte vielmehr darum gehen, inkrementelle oder zumindest geschäftsnahe Geschäftsmodelle umzusetzen. Zudem solle das Kerngeschäft einbezogen werden, damit das Know-how an die ausgegründeten Unternehmen weitergeben werden kann. Auf diese Weise wird die gegenseitige Akzeptanz erhöht. Hier hört man hinter vorgehaltener Hand, dass Sparrow zu weit weg vom Kerngeschäft gewesen sei und dieses konkurrenziert habe. Nun, Letzteres sollte schon auch das Ziel sein. Es geht ja nicht darum, Bestehendes weiterzuführen, sondern vielmehr Neues zu entwickeln. Eventuell war man tatsächlich etwas weit weg vom Mutterhaus. In Gesprächen mit den Verantwortlichen von Sparrow und auch den Startups habe ich jedoch eine andere Erfahrung gemacht. Man war ständig im Austausch mit dem Mutterhaus und hat versucht, die Startups sinnvoll zu integrieren bzw. zu vernetzen.
- Es sollten neue Geschäftsmodelle und auch Umsätze entstehen: Das Ziel des Innovationslabors muss sein, das bestehende Geschäftsmodell ständig weiterzuentwickeln und effizient zu eruieren, welche additiven Geschäftsmodell entwickelt werden können.
War Sparrow ein Misserfolg? Meine Antwort lautet ganz klar Nein. Das Team von Sparrow hat in der kurzen Zeit vieles richtig gemacht. Natürlich kann man gewisse getroffene Entscheidungen kritisch reflektieren, doch sind diese meines Erachtens absolut im Rahmen des Vertretbaren. Dank Sparrow konnte der MGB vieles ausprobieren und Geschäftsmodelle testen. Das Kommentator:innen nun auf den weniger erfolgreichen Ausgründungen herumhacken, die nicht funktioniert haben, etwa Snäx und Miacar, finde ich unbegründet (gerade letztgenanntes Projektetzteres hat wichtige Erkenntnisse zu Tage gefördert). Misserfolge gehören dazu und diese waren zahlenmässig im Fall von Sparrow im Quervergleich im absoluten Rahmen des Vertretbaren.
Für mich ist klar: Erfolg im Corporate Venturing kann man nicht nur an mehr Umsatz oder Gewinn messen, sondern muss weitere (v. a. strategisch relevante) KPI berücksichtigen. Mir ist klar, dass der MGB bzw. die Supermarkt AG vor grossen Herausforderungen steht und man fokussieren will. Trotzdem halte ich es für falsch, Innovation in die bestehende Organisation zu integrieren und an Corporate Finance anzugliedern. Wie soll auf diese Weise eine kritische Auseinandersetzung mit dem bestehenden Geschäftsmodell noch möglich sein? Innovation lebt von Dissens und Mut. Nur auf diese Weise kann sich ein Ökosystem weiterentwickeln.
